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Draußen einfach, drinnen kompliziert

Veröffentlicht am 08.01.2018

Warum im Kino plötzlich alles einfach sein muss - und im Fernsehen immer komplizierter


Es ist noch gar nicht lange her, da galt Fernsehen als plump und einfach, klischeebehaftet und einfältig. Ganz anders als Kino, wo es spätestens mit dem Aufkommen eines neuen Qualitätskinos, das Mitte der 1980er Jahre nicht zufällig den Untergang der alten Schachtelcenter à la Asta Nielsen einläutete, nicht raffiniert und verschroben genug sein konnte. Die Rollen haben sich offensichtlich umgekehrt. Der Stubenhocker schwärmt von den wagemutigen Netflix-Serien mit ihren kaputten Helden, die sich in immer komplexere Welten drehen, mit den sagenhaftesten Twists und verquersten Geschichten. Ausgerechnet im Wohnzimmer, wo viele abends allein oder zu zweit sitzen, erwartet man nicht mehr das Einfache, sondern das Komplizierte. Was das jetzt genau über den modernen Menschen aussagt, sei dahingestellt. Im Multiplexkino am Stadtrand jedenfalls, das größtenteils nur noch im Rudel aufgesucht wird, soll es die größtmögliche Vereinfachung sprich den kleinsten gemeinsamen Nenner geben. Ungewöhnliche Twists, schräge Helden, verschachtelte Stories mit neuen Gesichtern? Och ne. 

Konsumenten von Streaming-Serien haben durchaus einen langjährigen Kino-Background, sind andererseits aber durch die immer komplizierter werdenden Krimis und Klassiker wie "Twin Peaks" auf schwierige Stoffe getrimmt. Mögen die Rentner also weiter ihr "Traumschiff" gucken, der Nachwuchs hält es mit dysfunktionalen Familien, sympathischen Verbrechern oder merkwürdigen Altersgenossen mit Todessehnsucht. Auch die vom Kino entfachte Sequel-Wut schlägt sich in der schrägen neuen Serien-Welt wieder, denn kaum ein Stoff wird mehr als Test-Pilot produziert, sondern geht gleich in Serie.

Das Mainstreamkino hat auf die neue Sucht nach Serien noch keine Antwort gefunden und feuert weiter Comichelden und Remakes raus, verlässt sich auf Bestselleradaptionen oder seit Jahrzehnten eingeführte Fantasy-Franchises. Dass es manchmal aber doch komplizierter sein darf als das Popcorn-Publikum erlaubt, lässt sich in den Filmkunstkinos beobachten. Da locken dann Gesellschaftssatiren wie "Nocturnal Animals" oder "The Square", deren Inhalte sich eben nicht in ein oder zwei Sätzen zusammenfassen lassen, immerhin 200.000 Zuschauer an. Ganz abgeschlossen in 115 bzw. 142 Minuten, ohne Gedanken an irgendeine Fortsetzung.

Vielleicht braucht das Kino wieder mehr Pointiertes, das in knapp zwei Stunden zwar eine außergewöhnliche, aber doch auch abgeschlossene Geschichte liefert. Und uns die Zeit, die wir sonst mit diversen Staffeln vor einer kleinen oder großen Glotze vertrödeln würden, für etwas anderes schenkt. Fürs eigene Leben zum Beispiel. (rs)