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Vater der Klamotte - und doch etwas mehr

Veröffentlicht am 28.02.2022

Ein Nachruf auf Karl Spiehs und seine Filmverleihe Residenz und Tivoli


Der österreichische Produzent Karl Spiehs wusste, dass er als Unterhaltungs-Fuzzi gesehen wurde. Seine „Wörthersee“-Komödien, die unverhohlen mit den Versatzstücken des Klamottenkinos der 1960er Jahre spielten und 1990 in die 34-teilige RTL-Serie „Ein Schloss am Wörthersee“ mündeten, wurden denn auch so etwas wie sein Vermächtnis. Aber Spiehs war weitaus mehr. Denn mit seinen zwei Filmverleihen Residenz und dann Tivoli brachte der Produzent der 1967 gegründeten Lisa-Film viele Jahre nicht nur anspruchslose Komödien mit ausgewiesenen Publikumslieblingen ins Kino, sondern eben auch einige Perlen.

Im Umfeld der Wiener Stadthalle, die 1961 eine eigene Filmproduktion startete, konnte der junge Spiehs sich als Aufnahmeleiter und Co-Produzent austoben. Nach dem missglückten deutschsprachigen Bond-Versuch „Schüsse im Dreivierteltakt“ (1965) konzentrierte sich der Niederösterreicher auf „Heißes Pflaster Köln“ (1967), diverse „Pauker“- und „Tanten“-Filme mit TV-Moderatoren und Sänger:innen, aber auch auf Rolf Olsens Anti-Kleinbürger-Krimi „Blutiger Freitag“ (1972) und die durchaus wagemutige Hans-Fallada-Verfilmung „Jeder stirbt für sich allein“ (1976). Alle diese Filme kamen mit der Constantin Film oder dem Gloria-Verleih in die Kinos.

Ende der 1970er gründete Spiehs dann mit Michael Preiß als Geschäftsführer seinen eigenen Verleih Residenz-Film, der einige Titel aus der Konkursmasse der Gloria-Film übernahm, darunter Sergio Corbuccis „Bluff“, aber auch sehr beherzt Werke wie Paul Verhoevens „Spetters“ (1979), George Mihalkas „Flipper Girls“ (1980), Steve Carvers „Der Gigant“ (1981), Richard Franklins „Truck Driver“ (1981) und Robert Butlers „Countdown in Manhattan“ (1982) in die BRD-Kinos manövrierte.

Als Produzent vertraute Spiehs bewährten Handwerkern wie Franz-Josef Gottlieb und Walter Boos, die in verschiedenen Genres arbeiteten und seine „Leidenschaft für die Unterhaltung möglichst vieler Menschen“ teilten. Dies konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Spiehs durchaus ein Auge für Talente und Trends hatte. 1981 sprach er Thomas Gottschalk und Mike Krüger für eine Kinokomödie an. Der Film über zwei Freunde, die das „bescheuerte Programm“ des öffentlich-rechtlichen Radios mit einem eigenen Piratensender bekämpfen, führte die Spiehs’sche Mischung aus Situationskomik und Gaststars, Parodien von Zeitphänomenen und frechen Sprüchen, die nicht selten das Establishment oder Ordnungskräfte veralbern, in ungeahnte Höhen. „Piratensender Powerplay“ mauserte sich zum deutschen Überraschungshit des Jahres 1982 – und lief ausgerechnet am Tivoli-Firmensitz München am schlechtesten.

Mit dem Erfolg seiner Sexkomödien und der folgenden „Supernasen“-Filme im Rücken, produzierte Spiehs dann einige großartige Filme, darunter Dominik Grafs „Das zweite Gesicht“ (1982), Carl Schenkels „Kalt wie Eis“ (1981) und „Zwei Frauen“ (1989) und Peter Patzaks „Der Joker“ (1987) und „Killing Blue“ (1988). Sein Schweizer Produzentenkollege Erwin C. Dietrich war zeitweise so beeindruckt, dass er 1985 überlegte, seinen deutschen Ascot-Verleih organisatorisch mit der Tivoli zu verschmelzen. Unter der Leitung des neuen Geschäftsführers Stefan Hillenbrand brachte Spiehs dann Michael Lindsay-Hoggs „Verfolgt und gejagt – Die Beate Klarsfeld Story“ und Lizzie Bordens „Working Girls“ (beide 1987) heraus, die beide für ein faszinierend neues, engagiertes, politisches Kino standen.    

1988, kurz vor der Wende, kam auch für Spiehs die Wende. Thomas Gottschalks „Zärtliche Chaoten 2“ erreichte nochmal ein Millionenpublikum, aber sein mit unzähligen TV-Gesichtern bestückter Episodenklamauk „Starke Zeiten“ wurde zum Flop. Einkäufe wie „He’s My Girl“ oder „Ski Academy“ rechneten sich nicht mehr, Gottschalks ernstere „Tanten“-Variante „Eine Frau namens Harry“ zog 1990 gerade noch 100.000 Besucher an. Spiehs sperrte zu und konzentrierte sich ganz aufs Fernsehen, wo er mit seinen bewährten Unterhaltungsrezepten, etwa „Klinik unter Palmen“, keine großen Risiken mehr eingehen musste. Am 27.1. ist Spiehs, der Mann der kalkulierten Lach- und unverhofften Kultnummern, mit 90 Jahren verstorben.  

Im Asta Nielsen waren zwischen 1977 und 1986 immerhin 28 Filme aus dem Verleihangebot von Residenz und Tivoli zu sehen, darunter "Die Tatarenwüste" (1977), "Give Me Love" (1979), "Speed Fever" (1979), "Nackt und heiß auf Mykonos" (1980, mit Margit Geissler), "Flippergirls" (1980) "Kalt wie Eis" (1981), "Lolita am Scheideweg" (1981), "Countdown in Manhattan" (1982), "Randale" (1983), "Bei Anruf Liebe" (1984), "Love Fighters" (1985) und "Der Gigant" (1986).  Auch die beiden Hubert-Frank-Filme "Die Insel der tausend Freuden" und "Taifun der Zärtlichkeit" spielten 1984 im Asta. Zu Hits mauserten sich "Desideria" (1980) und "Schulmädchen '84" (1984), die jeweils fünf Wochen im Einsatz waren.  (rs)

(Foto: Lisa Film, Bernhard Horst)

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